Der Blumen-Anarchist, der die Stadt verschönert Zürich/ Maurice Maggi streut in der Stadt Blumensamen aus. Und er freut sich, wenn die heimlich gesäte Saat bunt erblüht.«Als ich begann, meine Blumen zu säen, herrschte in Zürich, auch im Gartenbereich, eine strenge zwinglianische Ordnung», erinnert sich Maurice Maggi. «Es durfte nirgends etwas Grünes wachsen, wenn es nicht in einem Beetchen seinen Platz hatte. Mich reizte es, das zu durchbrechen.» So zog er 1984 erstmals in einer Nacht los und streute heimlich Malvensamen an Strassenränder, Hausecken und in kleine Nischen.
Die Pflanzen gediehen. Und die Zürcher Stadtgärtner kamen in Verlegenheit. Sollten sie die prächtigen Blumen ausreissen? Oder waren sie bewusst gepflanzt? Die Gärtner liessen die Blumen stehen. So erhellten sie trostlose Winkel in der Stadt Zürich. «Eingrenzungen haben mich immer gestört», erklärt der Blumen-Anarchist Maggi, der sich nie richtig in die Strukturen der Gesellschaft einfügen konnte. «Ich brauche Platz und Freiheit. Meine Blumeninterventionen finden ja auch im Subversiven und Illegalen statt.» Wenn er von seinen heimlichen Aussaaten erzählt, umspielt ein schelmisches Lächeln seinen Mund. Die Freude an seinem Tun steht ihm ins spitzbübische Gesicht geschrieben.
Mit seinen versteckten Aussaaten steht Maurice Maggi nicht alleine da. Weltweit, in London, Berlin und New York, verschönern sogenannte Guerilla Gardeners die Städte durch solche Aktionen. Als Guerillagärtner bezeichnen sie sich deshalb, weil sie in den Grossstädten Widerstand markieren – so wie die Guerillakämpfer im Dschungel: im Verborgenen und mit Überraschungsaktionen.
«Mich freut es, wenn Menschen an meinen Blumen vorübergehen und sich verwundert fragen, wie diese Malve, dieser Mohn oder diese Wegwarte hierhergekommen ist», sagt Maurice Maggi. Aber er will nicht nur das Auge und das Herz der Menschen erfreuen, sondern sie auch zum Nachdenken anregen: «Sie sollen sich fragen: Warum passiert das gerade hier, mitten in der Stadt, dass plötzlich eine Wildnis wächst?»
Was einst als politischer Protest gegen das puritanisch städtische Pflegekonzept begann, hat sich für Maurice Maggi immer mehr zu einer poetisch künstlerischen Tätigkeit entwickelt. Blumengraffiti nennt er seine florale Kunst heute. Verändert hat sich auch das Ausmass seiner Aktionen. Aus den einst punktuellen Interventionen an trostlosen Orten und in unbeachteten Nischen ist heute ein ganzes Netz aus Wildblumen geworden, das die Stadt überzieht. Geld verdient der gelernte Landschaftsgärtner keines mit seiner Blütenkunst. Den Lebensunterhalt verdient er sich als Koch – mit seinem Traumberuf, von dem man ihm einst wegen seiner Diabetes abgeraten hatte. Erst mit 36, nach einer Beziehungskrise, erfüllte er sich seinen Berufswunsch doch noch. Dem Gärtnern blieb er treu – mit seinen wilden Blumenaussaten.
Guerillagärtnerei nennt sich die Bewegung, die mit dem Aussäen von Pflanzen im öffentlichen Raum politischen Protest äussert. Anfangs wirkten die urbanen Gärtner im Illegalen. Heute sind sie mancherorts durchaus akzeptiert und die Stadtbevölkerung freut sich über die unerwartet spriessenden Blumen.