Seit der letzten Ausgabe der Trendfibel «Wallpaper» weiss auch der Hinterste und Letzte, dass die Schweiz ein tolles Land, Zürich eine super Stadt ist und seine Bewohner alles «Siebensiechen» sind. Was die helvetophile «Wallpaper»-Redaktion aber ganz zu erwähnen vergessen hat, ist die Tatsachsen, dass es in Zürich einen Ort gibt, den aufzusuchen wasserliebende Gourmets beinahe in kulinarische Ekstase zu versetzen vermag. Gemeint ist die Badeanstalt mit der unschönen Vergangenheit: der Obere Letten. Nicht etwa, weil das Limmatwasser dort besonders kühl, die Gäste besonders illuster wäre, sondern weil es da ein ganz besonderes Plastikzelt gibt. Dieses Zelt hat Stefan Tamò, Mitinhaber der Restaurants Josef und Lily's zu seiner Sommerresidenz erkoren und dabei eine (weitere) Oase der Gaumenfreuden erschaffen.
Mit wenigen Handgriffen wurde das «Primitivo» für diese Saison auf der «elegantemente» getrimmt: Die geblühmten Plastiktischtücher mit Ostblockcharme vom Vorjahr wurden durch edlen, weissen Stoff ersetzt und die Tische mit Blumen, der Kiesboden mit bunten Marokko-Teppichen bestückt. Weil nach wie vor Spezialitäten aus dem asiatischen Raum serviert werden, sind beim Eingang - der jetzt neu mit einem roten Plüschvorhang versehen ist - vier Liegeflächen installiert worden, die zum sinnlichen Essvergnügen in horizontaler Haltung einladen. Ob bequem oder unbequem, sei dahingestellt, fest steht: Die dreieckigen Kissen aus Thailand, welche die Liegeflächen zieren, sind äusserst dekorativ. Fehlte nur noch, dass Tamò seinen Gästen mittels Palmwedel frische Luft zufächerte - aber auch ohne diesen Service public fühlt man sich hier zuvorkommend umsorgt.
Haben im letzten Jahr Köche aus Sri Lanka vornehmlich indische Spezialitäten auf die Teller gezaubert, so wurde für dieses Jahr das kulinarische Angebot um einen Kontinent erweitert. Und das kam so: Der neue Koch im «Primitivo» Maurice Maggi, hat mehr als zwei Jahre in New York gelebt und gearbeitet, und das nicht etwa in einem Steakhouse, sondern in einem Latino-Restaurant. Zudem hat er zusammen mit einer Bekannten einen Film über New Yorker Gastronomieszene gedreht, der ihr zu einem Universitätsabschluss und ihm zu umfassenden Kenntnissen in Bezug auf südamerikanische Speisen verhalf. Diese eher «arme Küche» habe er nun «aufgemotzt» und mit atypischen Zutaten ergänzt, sagt Maurice Maggi. Was dabei herausgekommen ist: eine Speisekarte, auf der Gerichte stehen, die in der Zürcher Gastrolandschaft sonst nirgendwo zu finden sind. Beispielsweise Leckereiren wie «Gemüsebananenlasagne» (sehr zu empfehlen), «Mandel Gazpacho mit Hühnerleber», «Wurzelsalat mit Ananas-Kokos-Sauce», «Tamilischer Hühnerstrudel» oder «pfannengerührtes PFannkuchengeschnezeltes mit Lamm», Bioschweinsbraten geingwert und georanget» und zum Dessert etwa «Kokospudding mit Papayasalat» oder ein «argentinisches Caramelchöpfli». Übrigens, auch der «Harmony-Salad» sowie der «limonensaftmarinierte Frischfisch» durchaus harmonisch und gut schmecken, sollten diese Speisen nur diejenigen essen, die in den nächsten achtundvierzig Stunden niemanden zu nah kommen wollen, weil sehr zwiebelhaltig.