Natur und Stadt miteinander zu vereinbaren, wird immer wichtiger. Schaue ich nach Zürich, scheint das auf den ersten Blick geklappt zu haben. Diverse Parkanlagen dienen als Naherholungszone und bieten auch Pflanzen und Insekten einen Lebensraum. Baumkorridore zieren Haupt- wie auch Nebenstrassen. Selbst das Vogelgezwitscher geht beim Verkehrslärm nicht unter.
Dennoch bleibe viel Potenzial liegen. Dieser Auffassung ist der Naturförderer Maurice Maggi. Im Hardquartier gibt es gleich mehrere Bauobjekte, bei denen das Thema Grünraum augenscheinlich vernachlässigt wurde. Ich denke an den Hardplatz oder an das Areal des neuen Polizei- und Justizzentrums (PJZ). Um mir ein genaueres Bild machen zu können, treffe ich Maurice Maggi im Café du Bonheur am Bullingerplatz.
Bereits von Weitem macht er sich erkennbar. Ein älterer Herr mit stets bedecktem Haupt und stilvollen Kleidern. Er schlägt vor, vom Bullingerplatz aus auf einen Rundgang zu gehen. Wir laufen in Richtung Hardplatz. Bereits auf dem Weg dorthin zeigt er sich gegenüber der Grünraumförderung der Stadt Zürich kritisch. Entlang beider Trottoirs auf der Sihlfeldstrasse ziehen zwei Baumreihen an uns vorbei. «Das sieht vielleicht gut aus, aber die Bäume haben alle zu wenig Platz», sagt Maggi.
Dieses Muster soll sich auf unserer Reise mehrfach wiederholen. «Als Faustregel gilt», sagt Maggi, «den von der Baumkrone beanspruchten Platz in der Höhe braucht der Baum auch im Boden, um richtig wurzeln zu können.» Dies führe dazu, dass die meisten Bäume nach rund 20 Jahren abgeholzt werden müssten, so der Naturförderer: «Ein Baum sollte eigentlich über 80 Jahre alt werden. Unter diesen Bedingungen ist das gar nicht möglich.»
Nach rund einer Viertelstunde kommen wir auf dem Hardplatz an. Es empfängt uns eine riesige graue Fläche, die mit Pflastersteinen bedeckt ist und als Knotenpunkt für den öffentlichen Verkehr dient. Sie wirkt trostlos. Doch das ist nicht das Einzige, woran sich Maggi stört: «Der Platz hier ist komplett versiegelt. Kein Wasser kann durchsickern. Im Sommer wird hier zu viel Wärme abgestrahlt.» Ein kleiner Teil des Hardplatzes ist jedoch begrünt. Die Grünflächen zwischen den Sitzbänken seien ein guter Ansatz, aber auch hier kritisiert er das Vorgehen der Stadt: «Es wachsen nur Birken. Monokulturen sollten möglichst vermieden werden.»
Auf dem Areal des PJZ soll das Baumleiden weitergehen. Während des Spaziergangs packt Maggi hin und wieder ein Säckchen mit seinem Saatgut aus. Wo auch immer im öffentlichen Raum etwas wächst, fügt er seine Saat hinzu. Es gehört für ihn schon lange zum Alltag. «Das ist für mich ganz normal. Ich mache das schon seit über 40 Jahren», so Maggi. Früher als Gärtner tätig und heute als Kochbuchschreiber, hat ihn der grüne Daumen nie verlassen.
Alles andere als grün ist das Areal der PJZ auf der ehemaligen Brache Güterbahnhof. Ein karger Koloss von einem Gebäude, gepaart mit einer beträchtlichen Fläche Asphalt, aus dem rund zwei Dutzend Bäume wachsen. «Das ist Baumquälerei. Sie werden hier niemals gedeihen können», sagt Maggi. Auch hier sei der Radius zum Wurzeln zu klein. Maggi versteht nicht, wieso nahezu das gesamte Gelände vor dem Haupteingang asphaltiert werden musste. «Ich würde es nachvollziehen, wenn der Platz als Zufahrt dienen würde, aber so hat man definitiv Potenzial liegen lassen», fügt er an.
«Mit Blick auf die vorherigen Unorte hat Zürich noch viel Luft nach oben»
In Richtung Zuggleise machen wir allerdings auch positive Entdeckungen. Zwischen den Gleisen pflegen die SBB kleinere Grünflächen mit Gestein, die Pflanzen und Tieren als Lebensraum dienen. Sträucher locken Insekten an und das Steinmaterial ist ideal für Eidechsen. Das sei ein Beispiel für effizientere Platznutzung, findet der ehemalige Gärtner.
Unser Rundgang findet auf der Bäckeranlage ein Ende. Bäume gedeihen hier, wie sie es eigentlich sollten, sagt Maggi. Er lebte früher mehrere Jahre lang im Ausland und sieht andere Städte als Vorbilder. «New York, Wien oder Paris machen es vor. Zürich hinkt immer noch hinterher», ist Maggi der Ansicht.
Er verweist auf sogenannte Pocket-Parks, die in anderen Grossstädten schon Normalität sind. Dabei handelt es sich um kleinere Freiräume im Stadtgebiet, die begrünt werden. Geht es nach dem Naturförderer, dürften Grünräume nicht mehr als sieben Minuten zu Fuss entfernt sein. «Mit Blick auf die vorherigen Unorte hat Zürich noch viel Luft nach oben», so Maurice Maggi.