Der Lieblingstee von Maurice Maggi war Kamillentee. Wo andere Kamille mit Krankheit und Übel assoziieren, war für Maurice die Kamille ein Symbol dafür, wie auf kargen Böden und ohne besondere Ansprüche Grosses entstehen kann. Finstere Gedanken muss auch das Gartenbauamt der Stadt Zürich gehabt haben, als Maurice in den 80er Jahren begann, in Baumscheiben und auf Brachflächen Malvensamen auszubringen und die zu Tode gejäteten Flächen in bunt blühende kleine Gärten zu transformieren. Die Stadt war «not amused» ob der anarchischen Blütenpracht, und über lange Jahre ergab sich ein stiller Zweikampf zwischen Ordnung und Anarchie am Strassenrand. In der Wohnung von Maurice hingt ein Stadtplan, auf dem alle Strassenzüge markiert waren, in denen er Malvensamen ausgesät hatte. Maurice nannte den Plan «Malvenkataster». Er stellte sich vor, dass die Menschen, die sich dem Stadtzentrum näherten, von immer dichter werdenden Malvenblüten begleitet werden. Oft führten diese markierten Wege auch zu Freundinnen und Bekannten, so dass Maurice auch unermüdlich jedes Jahr neue Malvensamen ausbrachte, wenn das Amt die Strassen wieder «geputzt» hatte. Viele Freundesbesuche wurden so zur aktiven Nachkontrolle. Mit den Jahren erweiterte Maurice sein Repertoire um zahlreiche einheimische Pflanzen. Immer detaillierter und ausgeklügelter wurden die Mischungen. Das Saatgut war einheimisch, die Saatgutproduktion immer lokaler und am Schluss waren diese ausschliesslich biologisch produziert.
Durch seine Lehre als Landschaftsgärtner war Maurice mit den Gesetzmässigkeiten der Stadtnatur vertraut. Später arbeitete er als Koch und verschmolz seine beiden Leidenschaften zu mehreren Kochbüchern. In seinem Buch «Essbare Stadt» (atVERLAG, 2019) präsentierte Maurice eine Fülle von Rezepten mit in der Stadt wachsenden Pflanzen. Gewächse im städtischen Umfeld blieben immer ein zentraler Bestandteil seines kulinarischen, gärtnerischen und zunehmend künstlerischen Wirkens.
Nachdem er sich über einen Leserbrief als «Malvenaktivist» geoutet hatte, bekam er bald den Beinamen des ersten «Guerilla-Gärtners» von Zürich. Der Name widerspiegelt die geistige Herkunft von Maurice. Aus einer nicht immer einfachen Kindheit erwuchs ein Freigeist, der sich mit den Konventionen der Zeit nicht zufriedengeben wollte. In den 80er Jahren war Maurice in der Szene rund um das Autonome Jugendzentrum AJZ sehr aktiv. Der anarchische Aktivismus und die soziale Vision bleib immer ein wesentlicher Teil seines Lebens und Schaffens. Im Interview mit der Zeitschrift anthos (Ausgabe 3, 2010) beschrieb Maurice, wie Blumen ein gutes Medium für Protest seien, da Menschen Blumen mit Schönheit assoziieren und demnach eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung geniessen. Mit dem Beinamen des «Guerilla-Gärtners» war Maurice allerdings nicht ganz glücklich, lieber bezeichnete er seine Arbeit als «Blumengraffiti». Sein Wirken erweiterte Maurice stetig. Seine «Blumengraffiti» zeichnete Maurice in Städten wie Basel, Berlin, Mailand bis nach New York, wo er einige Jahre lebte und arbeitete. Maurice künstlerisches Werk wurde immer bekannter und die grosse Wertschätzung seiner Gedanken und seiner Arbeit wurde in verschiedenen Filmen, Dokumentationen und Publikationen der Öffentlichkeit präsentiert.
Maurice war nicht nur ein Vorreiter für eine subversive florale Kritik an der Stadt, vielmehr verstand er seine Arbeit immer auch als Dienst an der Stadtnatur und an der Wertschätzung des öffentlichen Raums. Im Rahmen des Gastronomieprojektes «Primitivo» am Oberen Letten erarbeitete er das Konzept «Respekt», welches das Nebeneinander von Natur, Gastronomie und Sport propagierte. Verschiedene neue Parkprojekte aus den letzten Jahrzehnten betrachtete er sehr kritisch. Ihm fehlte der Ausgleich zwischen menschlichen Bedürfnissen und den heute mittlerweile selbstverständlichen Anliegen der Biodiversität und Stadtnatur. So manche Parkanlage wurde durch Maurice «nachgezeichnet», was ihn wieder zu seinen Anfängen des subversiven Protestes zurückführte.
Mit seinem Wirken hielt uns Maurice immer wieder einen Spiegel vor Augen. Seine Arbeit erinnert uns daran, wo gesellschaftliche Normen festgefahren sind, wie wichtig es ist, der Stadtnatur Sorge zu tragen und welche Schätze aus kargen Landschaften entstehen können. Maurice Maggi ist am 27. September im Alter von 69 Jahren verstorben.