Was blüht denn da? Diese Frage bewegt nicht nur passionierte Rotsocken auf ihren Streifzügen durch Wiesen und Felder. Auch jene Mitmenschen, deren Aktionsradius sich strikte auf versiegeltes, innerstädtisches Terrain beschränkt, halten dieser Tage des Öfteren inne.
Grund der Verzückung: die wildwüchsige Blumenpracht in Zürichs Strassen. Zum Beispiel in der neuen Überbauung Puls 5: Ungefragt gedeihen hier Kamille und Fingerhut auf einem kargen Schotterstreifen. An der Löwenstrasse besetzen turmhohe Malven die Baumscheiben. Überhaupt scheint jede Ritze im Asphaltdschungel fest in der Hand der blühenden Pioniere. Holt sich die Natur etwa zurück, was ihr gehört?Immerhin täte sie dies nicht, - wie in Emmerichs cinematografischer Verwüstungsoper - mit einer Klimakatastrophe, sondern auf die versöhnliche Art: mit einer bestrickenden Charmeoffensive. Hinter der floralen Anarchie steht jedoch keine rachsüchtige Natur, sondern der Zürcher Maurice Maggi. Während zwanzig Jahren wusste so gut wie niemand von seinem Treiben. So lange schon markiert der Geistergärtner seine Wege durch die Stadt mit Blumen. Nicht mit irgendwelchen: Der Küchenchef und international agierende Gartenprofi – er bepflanzte nicht nur Starregisseur Spike Lees privaten Umschwung, sondern auch das World Trade Center im Jahr vor seiner Zerstörung – verwendet ausschliesslich einheimische, bedrohte Pflanzenarten. Warum er dies tut? Maggie: "Ich wuchs in Zeiten auf, in denen noch Tafeln mit <Betreten verboten> die Rasenflächen in der Stadt markierten. Meine Aktionen hatten für mich etwas Subversives."
Auf die anfänglichen Malvenspuren folgten später grossflächige Renaturierungsprojekte. Etwa am Oberen Letten: Als die Bahngeleise 1990 stillgelegt wurden, brachte der Ökoaktivist heimlich Samen von Wildpflanzen aus. Diese schossen derart imposant ins Kraut, dass die Stadt den Streifen an der Limmat unter Naturschutz stellte - in der Überzeugung, einer spontanen botanischen Reconquista des Areals beizuwohnen.
Besonders augenfällig ist der starke künstlerische Gestaltungswille in Maggis Ansaaten. Sein jüngster Streich sind die so genannten Wellenbilder - nach Farbe und Höhe geordnete Bepflanzungen, die er in geometrischen Mustern entlang dem Schienenstrang in Richtung Altstetten angelegt hat. "Bilder" oder "Graffiti" nennt Maggi seine Eingriffe - und deklariert sie damit als genuin künstlerische Statements. Folgerichtig outet sich der Blumenanarchist nun auch in einem Kunstraum. Im Message Salon breitet er anhand von Fotografien und Planungsskizzen sein Schaffen aus - und lädt mit Stadtplänen zu einer botanischen Schnitzeljagd durch Zürichs blühende Subkultur.
Message Salon
Universitätstrasse 117
bis 10. Juli.
Vernissage morgen Freitag 19-24 Uhr.